Haushaltsrede der WerteUnion zur Verabschiedung des Haushalts der Stadt Kaufbeuren (Stadtrat Dr. Thomas Jahn) am 25.03.2025
Es gilt das
gesprochene Wort
Sehr
geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
die äußerst
schwierige Haushaltslage der Stadt Kaufbeuren hat im wesentlichen zwei
Ursachen, nämlich politische Fehlentwicklungen außerhalb unseres städtischen
Wirkungskreises, aber auch heimische Ursachen.
Lassen Sie
mich bitte zunächst kurz auf die aktuellen bundespolitischen Rahmenbedingungen
blicken, weil sich dadurch erhebliche finanzielle Auswirkungen auf diesen und
künftige städtische Haushalte ergeben werden:
Bis zur
Bundestagswahl am 23. Februar 2025 hatte die in Umfragen und am Wahlabend
stärkste politische Kraft, die Kanzlerparteien CDU und CSU einen umfassenden
Politikwechsel mit Steuersenkungen, Entbürokratisierung, einem Ausstieg aus der
Energiewende und ein Ende der unkontrollierten Massenmigration versprochen.
Versprochen wurde uns eine Rückabwicklung der „Ampel“-Politik. Ich zitiere hierzu
zwei der Kernsätze des Regierungsprogramms der Union:
„Wir halten
an der Schuldenbremse fest. Die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen
von morgen.“
Wenige
Stunden nach der Wahl präsentierte uns Friedrich Merz noch vor Beginn der
eigentlichen Koalitionsverhandlungen das genaue Gegenteil, nämlich die
Abschaffung der Schuldenbremse und eine Schuldenorgie in bislang nie
dagewesenen Ausmaßen:
Dazu ein
kurzer Vergleich, auch um die immer dramatischer Schuldendynamik zu
verdeutlichen, die natürlich auch die Kommunen trifft:
Innerhalb
der ersten 50 Jahre seit Bestehen der Bundesrepublik haben insbesondere die
Regierungen Brandt/Scheel, Schmidt/Genscher und der damalige Finanzminister
Theo Waigel einen Schuldenberg von 1 Billion Euro angehäuft. Innerhalb der
nächsten 25 Jahre stiegen diese Schulden bis heute auf 2,5 Billionen und nun
sollen innerhalb der nächsten 10 Jahre die Schulden dann auf insgesamt 4
Billionen Euro steigen. Präziser gesagt handelt es sich dabei nicht nur um die
Schulden des Bundes, sondern der gesamten öffentlichen Hand, also Bund, Länder
und Gemeinden, ohne die abenteuerlich hohen Pensionsverpflichtungen.
Die skandalöse
Abschaffung der Schuldenbremse durch einen bereits aufgelösten und abgewählten
Bundestag war nicht nur ein demokratiefeindlicher Zivilisationsbruch, sondern
hat fatale finanzielle Auswirkungen, auch gerade auf die bayerischen Kommunen,
weil das mit der Föderalismuskommission 2009 vereinbarte Neuverschuldungsverbot
auf Länderebene letzte Woche gleich mit abgeschafft wurden. Das
Neuverschuldungsverbot war 2009 der wichtigste Teil der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs
mit der Formel: Wenn die solide wirtschaftenden Länder wie Bayern schon
Zahlungen an hoch verschuldete Länder wie Bremen, Berlin, das Saarland oder
Nordrhein-Westfalen leisten sollen, dann müssen diese Länder auch ihre
überschuldeten Haushalte sanieren und Einsparungen vornehmen. Dank der Schulden-
und Umverteilungspolitiker aus den SCHUKO-Parteien, also der neuen rot-schwarze
Schuldenkoalition, denen sich – wie die Abstimmungen letzte Woche gezeigt haben
– auch die Grünen, die Linkspartei und die Freien Wähler angeschlossen haben,
muss Bayern weiterhin Rekordbeträge an andere Bundesländer zahlen, die 2024 mit
rund 10 Milliarden Euro einen neuen Höchststand erreichten und zulasten der
bayerischen Steuerzahler und Kommunen in den nächsten Jahren kräftig steigen
werden, nachdem das Land Berlin bereits vor wenigen Tagen angekündigt hat, auch
neue Schulden für die Aufnahme von illegal eingereisten Migranten machen zu
wollen.
Ministerpräsident
Söder und sein Stellvertreter Aiwanger haben Bayern und unserer von der
Finanzkraft des Freistaats mehr denn je abhängigen Stadt (Stichwort
Stabilisierungshilfen und Schlüsselzuweisungen) schweren Schaden zugefügt und
definitiv gegen die Interessen der bayerischen Bürger gehandelt. Aber nicht nur
das:
Der
Staatsrechtler und frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Professor Peter
Huber spricht im Zusammenhang mit dieser historisch einmaligen Missachtung des
Souveräns auch von einem „Staatsstreich“ und von „verfassungswidrigem
Verfassungsrecht“. Professor Huber hat recht, denn erst 2013 hatte das
Bayerische Volk mit fast 90 Prozent der abgegebenen Stimmen in einem
Volksentscheid bestimmt, dass in der Verfassung ein weitgehendes Verbot der Aufnahme
neuer Schulden verankert werden soll. Mit ihrem Schuldenputsch gegen einen
demokratischen Volksentscheid haben die Abgeordneten der CSU, der Freien Wähler
und die Bayerische Staatsregierung unser Land ohne Not auch in eine schwere
Staats- und Demokratiekrise geführt, die unverzeihlich ist.
Im Rückblick
erscheint nun die Ära Merkel und das Wirken der FDP in der „Ampel“-Regierung
gegen die geplante SCHUKO, angeführt von Saskia Esken, Lars Klingbeil, Markus
Söder und Friedrich Merz, fast schon rechtskonservativ. Inzwischen kursiert
auch ein vielsagender Witz, der in etwa so lautet: Was war das Einzige, was
Angela Merkel wirklich gut gemacht hat? Antwort: Sie hat über 16 Jahre lang
verhindert, dass Merz Kanzler werden konnte.
Nachdem in
den USA, in Argentinien und in vielen europäischen Nachbarländern bürgerliche
Regierungen eine Reformagenda einleiten konnten, steckt Deutschland seit 1998
ununterbrochen im Reformstau fest und kennt auf alle Probleme immer nur drei
Antworten:
- Mehr
Regulierung und immer mehr Verbote (dazu gehören auch finanziell unerfüllbare
Rechtsansprüche wie Ganztagsbetreuung, Mittagsverpflegung etc., die uns als
Stadt treffen),
-
mehr
Schulden und
-
immer
höhere Steuern.
Dazu hören wir seit Jahren immer dieselben Versprechen, auch heute wieder von einigen meiner Vorredner anlässlich der
Rekordschulden im aktuellen Haushaltsplan der Stadt Kaufbeuren:
-
Wir
wollen wichtige Investitionen ermöglichen.
-
Wir
sorgen für bessere Konjunktur und für Wirtschaftswachstum.
-
Wir
sparen an anderer Stelle ein und führen die Schulden zurück.
Folgende Frage
an die Unterstützer dieser Schuldenpolitik drängt sich auf:
Warum
braucht es eigentlich ständig neue Schulden, wenn doch die frühere
Schuldenpolitik so erfolgreich war? Warum haben eigentlich die Kaufbeurer
Schulden seit 1992 nicht schon zu lebendigen Innenstädten, brandneuen Straßen
und intakten Immobilien geführt? Immerhin
werden die Schulden nun den Rekordstand der Stadt von 1992 (68 Millionen Euro)
heuer erneut erreichen: Sie sollen von 58 Millionen EURO (2024) auf 68
Millionen (2025) steigen.
Die
zunehmende Verschuldung und die Weitergabe immenser Zins- und Tilgungslasten an
zukünftige Generationen sind dabei aber nur die halbe Wahrheit. Der andere
Negativeffekt staatlicher Schuldenpolitik ist die Verdrängung der
Privatinitiative, der Vertrags-, Meinungs- und Eigentumsfreiheit und des
Wettbewerbs zulasten von Zensur, Korruption, Paternalismus und Trägheit.
Die
russisch-jüdische Autorin Ayn Rand, die vor rund 100 Jahren aus der Sowjetunion
in die USA floh, brachte diese Abwärtsspirale auf den Punkt, als sie Geld als
das „Barometer der Moral einer Gesellschaft“ bezeichnete und festhielt: „Wenn
Sie sehen, dass Geschäfte nicht mehr freiwillig abgeschlossen werden, sondern
unter Zwang, dass man, um produzieren zu können, die Genehmigung von Leuten
braucht, die nichts produzieren, dass das Geld denen zufließt, die nicht mit
Gütern, sondern mit Vergünstigungen handeln, dass Menschen durch Korruption und
Beziehungen reich werden, nicht durch Arbeit, dass die Gesetze Sie nicht vor
diesen Leuten schützen, sondern diese Leute vor Ihnen, dass Korruption belohnt
und Ehrlichkeit bestraft wird, dann wissen Sie, dass Ihre Gesellschaft vor dem
Untergang steht.“
Die
Gesellschaft unserer Stadt steht zwar Gottlob nicht vor dem Untergang, aber vor
multiplen Krisen zu deren Bewältigung der vorliegende Haushaltsentwurf leider
keine ausreichenden Antworten liefert.
1. Schon in meiner letzten Haushaltsrede am 31. März 2020 hatte ich – wie sich heute herausstellt – leider zutreffend auf folgendes hingewiesen:
„Der neue Stadtrat steht
nun vor riesigen, auch finanzpolitischen Herausforderungen:
Jedem muss bewusst
sein, dass das heute zu beschließende Investitionsprogramm im fünfjährigen
Finanzplanungszeitraum der Situation vor der Corona-Krise entspricht und dass
schon sehr bald Neubewertungen nach Dringlichkeit und Priorität erfolgen
müssen.“
Der neue Stadtrat ist dieser Sichtweise leider nicht gefolgt,
denn bis 2023 kam es nicht zu den rezessionsbedingt notwendigen Anpassungen des
Investitionsprogramms. Die mittelfristige Finanzplanung sah 2023 immer noch ein
Investitionsvolumen von 62,6 Millionen Euro vor.
In derselben Haushaltsrede hatte ich die schwerste Rezession
der Nachkriegszeit angekündigt. Sie trat zeitverzögert mit massiven
Wachstumsrückgängen in den Jahren 2023 und 2024 ein und hält 2025 das dritte
Jahr in Folge an. Meine damalige Forderung nach massive Entlastungen der Bürger
und der Unternehmen von den derzeit viel zu hohen Abgaben- und Bürokratielasten
verhallte natürlich ungehört. Diese auch im internationalen Vergleich
notwendigen Reformen werden nun leider weder auf Bundesebene noch im Kleinen,
also hier in Kaufbeuren angepackt. Im Gegenteil: Mitten in der schwersten
Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik wird die Gewerbe- und
Grundsteuer sowie diverse Gebühren erhöht. Da ich dieses Vorgehen für grundfalsch
halte, kann ich dem Haushaltsentwurf leider nicht zustimmen.
2. Wie von mir schon in den
Vorberatungen zum Haushalt erwähnt, stimme ich sicher vielen Punkten des
Konsolidierungskonzepts zu, halte sie insgesamt aber nicht für ausreichend.
Auch hier fehlen die notwendigen Konsequenzen aus den wirtschaftlichen
Verheerungen der Corona-Jahre, die mit ihrer verfehlten Lockdown-Politik eine
Vielzahl unternehmerischer Existenzen, vor allem im Mittelstand vernichtet hat.
Diese Unternehmen, vor allem im Handwerk, der Gastronomie und im Einzelhandel
fallen dauerhaft als Steuerzahler und Arbeitgeber aus. Die seit 2022 verschärft
durch die bisherige Bundesregierung betriebene Politik der Energieverteuerung
und der Erhöhung indirekter Steuern wie der CO2-Steuer wird weitere Unternehmen
zur Aufgabe zwingen. 25 % der Handwerksbetriebe wollen ihr Unternehmen in den
nächsten Jahren aufgeben. Die von mir schon 2020 angemahnte Konzentration
kommunaler Aufgaben auf wesentliche Bereiche (Stichwort Pflichtaufgaben) blieb
aus. Dadurch können leider auch die dringend benötigten finanziellen Spielräume
zur Reduzierung der Schuldenlast und zur Bewältigung künftiger Pflichtaufgaben
nicht eröffnet werden. Der Stadtrat war mehrheitlich leider nicht einmal
bereit, ein Konzept für eine echte Personalkostenreduzierung für jene Stellen
zuzustimmen, die nicht zur Bewältigung von Plicht- oder Investitionsaufgaben
benötigt werden. Und dies trotz der Tatsache, dass sich die Personalaufwendungen
in den letzten 15 Jahren im Haushalt mehr als verdoppelt haben, von rund 24
Millionen Euro in 2010 auf aktuell rund 58 Millionen Euro.
Die Haushaltsvorlage wird daher leider keinen ausreichenden Beitrag zur Aufgabenkritik leisten, so dass sie aus meiner Sicht leider nicht zustimmungsfähig ist:
Brauchen wir wirklich weiterhin ein Bildungsbüro, einen Babyempfang,
städtische Werbung für eine Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft
Sozialdemokratischer Frauen, einen Aktionstag für die Psychosoziale
Beratungsstelle für schwule und bisexuelle Männer in Schaben, Werbung für die
Eröffnung des Regenbogencafes, die Organisation des internationalen Männertages
oder von Filmabenden, um nur einige Bereiche zu nennen, die auch unter dem
jüngst vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gerade für Kommunen
eingeforderten politischen Neutralitätsgebot als zweifelhaft anzusehen sind.
3. Die Stadtratsmehrheit verkennt leider
auch mehrere Zielkonflikte, deren Zielsetzungen sich gegenseitig ausschließen.
Folgende Beispiele:
Man möchte mehr Gewerbeflächen ausweisen und Unternehmen zur Stärkung der
Steuerkraft in Kaufbeuren ansiedeln. Gleichzeitig soll ein Klimaschutzkonzept
erlassen werden, das natürlich jede Art von Bau- und Produktionstätigkeit
Fesseln anlegt, wenn nicht gar jegliches Wirtschaftswachstum ausschließt.
Die Altstadt soll mit Wohnungen und Geschäften belebt werden,
gleichzeitig soll sie aber weitestgehend autofrei sein, sodass niemand mehr
Wohnungen oder Geschäfte erreichen würde.
Wohnungsmangel soll durch das städtische Projekt „Blasius-Blick“ behoben
werden, ohne dass ein seriöses Finanzierungskonzept zugrunde gelegt werden kann
und die Stellplatzfrage gelöst ist. Gleichzeitig müssen private Investoren, die
Wohnraum zum Beispiel im Wege der Nachverdichtung schaffen wollen, lange
Genehmigungsverfahren in Kauf nehmen und Ehrenrunden in städtischen Gremien
drehen.
Die Stadtspitze setzt auf Zuzug nach Kaufbeuren, vergisst aber, dass es
sich hauptsächlich um Migration aus dem Ausland handelt, sodass viele Neubürger
angesichts der hohen Transfers durch das neue sogenannte Bürgergeld keine
Leistungsanreize verspüren und künftig weiterhin steigende Lasten für den
Haushalt und die Steuerzahler zu befürchten sind.
Lassen Sie
mich abschließend nochmals ein Plädoyer für zukunftsgewandet Reformen für mehr
echtes Wirtschaftswachstum und mutigere Konsolidierungsschritte halten. Der von
Herrn Pferner zurecht nur als Kompromiss bezeichnete Haushalt mit Finanzplan
reicht leider nicht aus, zumal mit einer deutlichen Rückführung des
Klinikdefizits nicht zu rechnen ist.
Wir können
mit der Politik aus neuen Steuern und immer höheren Schulden insgesamt so nicht
weiter machen. Wir sollten den Mut haben, die Fehler der Vergangenheit
aufzuarbeiten und uns eingestehen, dass den Steuerzahlern dieser Stadt und
dieses Landes angesichts einer weltweit einzigartigen Rekordbelastung an
Steuern und Abgaben nicht mehr alles zugemutet werden kann.